Trouble Orchestra



by Till Gläser @ 2014
by Till Gläser @ 2014
by Till Gläser @ 2014
by Till Gläser @ 2014


Trouble Orchestra (Hamburg)


TROUBLE ORCHESTRA - mit dem mitreißenden „Staub Der Straßen" (feat. MARIE CURRY am Gesang) ein herausstechendes Highlight der aktuellen AUDIOLITH-Labelcompilation und mit der 7"-EP „Graupausen" als hoffnungsvolle Newcomer eingeführt, wagen jetzt auf Albumlänge das eigentlich Undenkbare: Hip Hop und Rock, bzw. Indie und Post-Punk zusammenzudenken. Muss das denn eigentlich sein? Unangenehme Erinnerungen an heute zu Recht als bieder und stumpf geltende 90er Jahre-Crossover-Pannen sind unausweichlich. Umso erstaunlicher, dass das Sextett so leichtfüßig einen überraschend innovativen und quicklebendigen Gegenentwurf aus dem Ärmel schüttelt. Ein Mutant aus linkem, intelligentem Hip Hop und Indie, der beweist, dass Rap auch ohne Gangsterpose groß sein kann, wenn er klug, dreist und nah am Leben ist.


Denkt man die kritisch-linke, selbstreflektierte und dennoch nicht spaßbefreite Attitüde der TickTickBoom-Crew, aus deren Kreisen JOHNNY MAUSER kommt, mit avanciertem Postpunk-Freigeist, wie er von Bands wie ADOLAR vertreten wird oder Indie-Gitarren-Ethos wie beispielsweise bei VIERKANTTRETLAGER zusammen, kommt man dem Ansatz der Hamburger schon recht nahe. Nicht von ungefähr im Leipziger LALA-Studio produziert, wird bei TROUBLE ORCHESTRA ein verspielter, offener Umgang mit den Genres und ihren Schranken bevorzugt. Dass Gitarrist JAKOB, der auch die kontrastierenden klaren Melodiegesangsparts beisteuert, als ZINNSCHAUER dem progressiv-verfrickelten Post-Hardcore-Wahnsinn huldigt, passt da bestens ins Bild. Auf „Heiter" trifft ein seriöses und cleveres Indie- Punk- und Post-Hardcore-Verständnis, wie es ansonsten vielleicht von Labels wie UNTERM DURCHSCHNITT, ZEITSTRAFE oder KAPITÄN PLATTE etabliert wurde, auf ein mehr als ambitioniertes Vokalgespann, das Musik und Groove nicht dem Versmaß und Reimschema unterwerfen will. Die Strukturen sind gerade so offen, verspielt und anregend, weil die austarierten Wechsel zwischen Sprechgesang-Parts und gesungenen Passagen so selbstverständlich und ungezwungen wirken und mit rhythmischen Details genial ineinander verzahnt werden. Dass dabei schlaue und poetische Texte entstehen, die gleichermaßen Stimmungen auffangen, weiterbearbeiten und erzeugen wie auch Statements und unbequeme Haltungen raus lassen, ist umso erfreulicher. Hier geben sich Rhythmus und Melodie, Gesang und Text gegenseitig genau so viel Luft, dass etwas Großes entstehen kann. Gitarren umspielen einander mit filigranen Melodieläufen oder geben sich sperrfeuerartige Duelle mit dem breakhaltigen Stop-and-Go-Flow von Bass und Schlagzeug. Songs wie das sich behutsam dynamisch auftürmende Titelstück, das schwebend- atmosphärische „Angst", das trocken grooverockende „Menschen" oder „Graupausen" mit seinem tänzelnd eleganten Beat vereinen lässige Eingängigkeit mit hochseriösem Anspruch, reißen mit, machen neugierig, lassen aufhorchen. Ein bisschen Pathos ist erlaubt - und Ohrwürmer auch. Angst, Zweifel, Melancholie und Sehnsucht begegnen augenzwinkernden Hoffnungsblitzen. Das Ganze kommt mit Drive daher, mit Lyrics zum Mehrmals-Hören.

                                                 "Immer im Rausch.
                               Und wenn es regnet, dann geh'n wir raus
                               und schrei'n in die Welt, wie schön sie ist!"


„Heiter" ist weitaus mehr als nur ein gelungenes Experiment. Es ist ein Album mit einem unbedingt innovativen Anspruch, das nicht an sich selbst scheitert. Hier wird Neues nicht nur ausprobiert, sondern zu Ende gedacht- ohne Furcht, mit viel Euphorie, Herzblut und uneitel-kollektiver Attitüde.


Quelle: http://audiolith.net/de/trouble-orchestra